Wir Deutschen feiern in diesen Tagen das 70-jährige Bestehen unseres Grundgesetzes und Verfassung.

Wenn man sich mal Gedanken über die Inhalte dieser demokratischen* Gesetzgebung und deren Ursprünge macht, so finden wir diese im antiken Griechenland und hier insbesondere bei dem Mathematiker und Philosophen “Pythagoras“ (570 – 510 v. Chr.)

* altgriechisch‚ Herrschaft des Staatsvolkes

Der Politiker Pythagoras:

Im Staate des Pythagoras herrscht eine -die mathematische Weltordnung widerspiegelnde- von oben ausstrahlende Gerechtigkeit, die jedem seinen Platz eindeutig anweist. der Einzelne hat nichts weiter zu tun, als sich in Demut und friedlicher Gesinnung in diese feststehende Ordnung einzufügen.

Heraklit** hingegen lehrt, dass das staatliche Gesetz eine Schöpfung der Menschen ist und daher nur solange Bestand hat, als es von seinen Bürgern verteidigt wird. Das kosmische Gesetz des Kampfes entscheidet daher nicht nur über das Sein des Staates selbst, sondern auch über die Existenz einer bestimmten Staatsordnung.

Dieser Gegensatz zwischen Pythagoras und Heraklit wird jedoch dadurch verhüllt, dass für beide die Welt einen Kosmos bildet, in dem Maß und Harmonie herrscht. Diese Überein-stimmung in den Worten darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Harmonie des Pythagoras mit der Heraklits keineswegs übereinstimmt; denn bei Pythagoras drückt sich die Harmonie in einer sichtbaren, in mathematischer Regelmäßigkeit verlaufenden Ordnung aus, während die heraklitische Harmonie die verborgene Einheit der sichtbaren Gegensätze bedeutet. Gleichwohl wird auch das kämpferische Werden Heraklits als Harmonie ange-sehen, da es sich dabei nicht um ein sinnloses Wüten, sondern um ein Messen von Kräften nach dem Weltgesetze des Kampfes handelt. Das beweist uns sowohl das Fragment 94: .‚Helios wird seine Maße nicht überschreiten; sonst werden ihn die Erinyen, der Dike Schergen ausfindig machen“, sowie der Ausspruch des Ephesiers, dass es noch nötiger sei, die menschliche Hybris zu löschen. als eine Feuersbrunst (Fragment 43). Damit hat Heraklit jedes Übermaß, also das vermessene Streben, über die eigene Gestaltungskraft hinaus vorzu-stoßen, mit aller Entschiedenheit abgelehnt.

So bleibt trotz allem Gegensatze zwischen Pythagoras und Heraklit doch ein gemeinsamer Rest bestehen: Es ist die griechische Vorstellung des Maßes, das weder die Menschen noch die Götter verletzen dürfen, ohne der Rache der Erinyen zu verfallen. Gemeinsam ist Pythagoras und Heraklit auch die Methode der großen Schau, mit der sie an die Probleme herangehen. So klafft zwischen beiden doch kein Abgrund, es besteht bloß eine polare Spannung in der Einheit des griechischen Geistes.

Heraklit**:  griechischer Philosoph, 520 – 560 v. Chr.

Quelle: “Grundlinien der antiken Rechts- und Staatsphilosophie“ von Alfred Verdross-Drossberg.

>>Ziel ist die Freundschaft aller mit allen: Freundschaft der Götter mit den Menschen durch Frömmigkeit und wissende Verehrung, Freundschaft der Lehren untereinander und überhaupt Freundschaft der Seele mit dem Leibe, Freundschaft des Vernunftbegabten mit den Arten des Vernunftlosen durch Philosophie und die ihr eigene geistige Anschauung. Freundschaft der Menschen untereinander:  Freundschaft unter Mitbürgern durch Gesetzestreue, die den Staat gesund erhält, Freundschaft Verschiedenstämmiger durch richtige Naturerkenntnis, Freundschaft zwischen Mann und Frau, Kindern, Geschwistern und Hausgenossen durch unverbrüchliche Gemeinschaft. Kurz: Freundschaft aller mit allen und noch dazu mit manchen vernunftlosen Lebewesen durch Gerechtigkeit, durch das Bewußt-sein der natürlichen Verflochtenheit und Solidarität. Freundschaft des sterblichen Leibes in sich selbst, Befriedung und Versöhnung der einander entgegenwirkenden Kräfte, die in ihm verborgen sind, durch Gesundheit, entsprechende Lebensführung und durch Besonnenheit nach dem Vorbilde des Gedeihen schaffenden Zusammenwirkens unter den kosmischen Elementen.<< ***

Hier haben wir es mit einem Menschlichkeitsideal zu tun, wie er auch im frm. Sinne als “Tempel der Humanität“ bezeichnet wird.  Pythagoras hatte -gleich wie die Freimaurer die Vision (und das Ziel) einer Weltbruderkette, deren Kettenglieder aus Menschen besteht, welche gleichsam nach Vervollkommnung streben.

Das war das Ziel seines Erziehungsplanes für Staatsmänner, Jünglinge und Frauen, indem er mit folgendem Grundsatz seinerzeit an die amtierenden Politiker und sonstigen auf die Geschicke der Politik einflussnehmenden Personen appellierte:

>>Fasset das Vaterland als ein Pfand auf, das ihr gemeinsam von der Mehrheit der Mitbürger empfangen habt. Verwaltet es daher so, dass eure Vertrauenswürdigkeit auch auf eure Erben übergehen kann. Dies wird sicher geschehen, wenn ihr euch allen Bürgern gleichstellt und nur in der Gerechtigkeit ihnen etwas voraushabt.<< ***

*** nach Iamblichos (* um 240/245  in Chalkis;  † um 320/325) war ein antiker griechischer Philosoph (Neuplatoniker) aus Syrien.

Hieraus lässt sich unschwer erkennen, dass die “Väter“ unserer Verfassung und des Grundgesetzes, jene Inhalte, welche -im Grundsatz- unser Gemeinwohl und Gemeinwesen

im Rahmen einer demokratischen Gesellschaftsform regeln, nicht die Erfinder jener Werke

waren, die wir heute befeiern; sondern ihren Ursprung schon im antiken Griechenland hatten.

Wolfgang Wehling
(Logenmeister)

Inspiriert zu diesem Beitrag wurde ich beim Studium des Buches
“Wir bauen den Tempel der Humanität“
von Br. Alfried Lehner (27.10.1936 – 22.02.2019); ISBN 978-3-943539-87-5

Ein Buch welches ich -wie übrigens alle Bücher von Br. Alfried Lehner- ganz besonders unseren Freimaurer-Brüdern und -Schwestern empfehlen kann.